Eine Frage der existentielle Absicherung: Unbegrenzte Nachdeckung bei Berufshaftpflichtversicherungsverträgen von ZT


Die Gründe dafür, ob bei einem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag eine begrenzte oder unbegrenzte Nachdeckung vereinbart werden soll, liegen einerseits in den Verjährungsfristen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), nämlich in der absoluten 30-jährigen und in der relativen 3-jährigen Verjährungsfrist (vgl. § 1489 ABGB), als auch andererseits an dem bei diesen Versicherungsverträgen geltenden Verstoßprinzip (= Verursachungsprinzip).
Solange der Schadenersatzanspruch nicht verjährt ist, kann dieser gegen den/die ZiviltechnikerIn als VersicherungsnehmerIn geltend gemacht werden. Im worst case können Schadenersatzansprüche bis zu 30 Jahren nach dem fehlerhaften Verhalten bzw. Schadenseintritt geltend gemacht werden, soferne der/die Geschädigte nicht schon vorher Kenntnis von Schaden und Schädiger (= ZiviltechnikerIn) hatte. In diesem Fall gilt nur die 3-jährige Verjährungsfrist.

Verstoßtheorie

Die Verstoßtheorie (Verursachungstheorie) bedeutet, dass ein Versicherungsfall nicht im Zeitpunkt des Schadeneintrittes oder der Anspruchserhebung, sondern im Zeitpunkt des Verstoßes (gegen Gesetze, Verordnungen, Ö-Normen, etc) als eingetreten betrachtet wird. Damit wären grundsätzlich alle Verstöße, die während eines aufrechten Versicherungsvertrages gesetzt werden, gedeckt, egal wann der Schaden eintritt oder der Anspruch erhoben wird. Nun ist es aber so, dass am Versicherungsmarkt Berufshaftpflichtversicherungsverträge angeboten werden, die diese Deckung einschränken. Dies geschieht dadurch, dass eine befristete Nachdeckung vereinbart wird (z.B. 1-Jahr Nachdeckung nach Beendigung eines Versicherungsvertrages nach den Standardbedingungen AHBA 1970). Damit kann der zeitliche Versicherungsschutz unter Umständen nicht mit den Verjährungsfristen des Schadenersatzrechtes konform gehen, was zu gefährlichen zeitlichen Deckungslücken führen kann. Dies zeigt das Beispiel weiter unten. 
Wichtig ist zu wissen, dass die Nachdeckungsfrist (sofern eine solche im Versicherungsvertrag vereinbart ist), erst dann zu laufen beginnt, wenn der Versicherungsvertrag beendet wird.

Vordeckung

Unter Vordeckung ist zu verstehen, dass der Versicherer für Verstöße Deckungsschutz gewährt, die vor Beginn des Versicherungsvertrages gesetzt werden. Üblicherweise wird die Vordeckung auf einen bestimmten Zeitraum vor Vertragsbeginn begrenzt (z.B. 1 Jahr Vordeckung nach den Standardbedingungen AHBA 1970). Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist jedoch, dass der Verstoß dem Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss nicht bereits bekannt war.

Beispiel für einen Berufshaftpflichtversicherungsvertrag mit 1 Jahr Vordeckung und 1 Jahr Nachdeckung:

Beispiel Nachdeckung

Der Versicherungsschutz ist gegeben, wenn der Verstoß im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn der Versicherung (Vordeckungszeitraum) gesetzt wurde und dem Ziviltechniker bei Vertragsabschluss noch nicht bekannt war oder während der aufrechten Versicherungslaufzeit gesetzt wurde. Der Versicherungsschutz ist nicht gegeben, wenn die Geltendmachung des Anspruches des Dritten nach Ablauf von einem Jahr nach Beendigung des Versicherungsvertrages erfolgt (Nachdeckungszeitraum).

Um von vornherein Probleme zu vermeiden ist dringend anzuraten, dass bei Abschluss eines Berufshaftpflichtversicherungsvertrages unbegrenzte Nachdeckung vereinbart wird, auch deshalb, da es seitens des Versicherers zu einer Schadenkündigung des Versicherungsvertrages kommen kann. Bei Vertragserneuerungen sollte vom eventuellen Nachversicherer die unmissverständliche schriftliche Zusicherung eingeholt werden, dass dieser zumindest subsidiär eine unbegrenzte Vordeckung gewährt.
Eklatant tritt das Problem der begrenzten Nachdeckung bei reinen Projektversicherungen
(„stand-alone-Deckungen“) zutage, da diesbezüglich am Markt fast nur Angebote mit begrenzten Nachdeckungen zu erhalten sind. Es sollte deshalb, wenn man die sicherste Variante wählen will, das Angebot angenommen werden, welches die längste Nachdeckungsfrist (ideal die unbegrenzte Nachdeckung) bietet. Höhere Kosten sollten bei der Entscheidung nicht das ausschlaggebende Kriterium sein.

Peter Artmann, Akad.VKfm.
Jürgen Schicho, Akad.VKfm.

 

 

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