Vereinbarungen/Bestätigungsformulare über arbeits- und sozialrechtliche Kontrollpflichten der ÖBA
Mit 1.1.2017 ist das neue LSD-BG in Kraft getreten, das eine Haftung von Auftraggebern für Unterentlohnung auf ihrer Baustelle vorsieht. Einzelne Auftraggeber versuchen daher bereits, diese Haftung dadurch abzuwehren, indem an die ÖBA umfangreiche Kontrollpflichten bezüglich Lohnunterlagen und arbeitsrechtlicher Aufzeichnungen delegiert werden. Bei der Unterzeichnung diesbezüglicher Bestätigungsschreiben oder Vereinbarungen ist daher dringend zur Vorsicht zu raten.
1. Neuerungen der Haftungsbestimmungen im Baubereich durch LSD-BG
Neu ist die Haftungsbestimmung im Baubereich gemäß § 9 LSD-BG, die eine Haftung für den Auftraggeber bei Unterentlohnung des Arbeitnehmers eines Auftragnehmers vorsieht. Auch ein Generalunternehmer, der Auftragnehmer öffentlicher Auftraggeber ist, haftet gemäß § 10 LSD-BG für die Entgeltansprüche der vom jeweiligen Subunternehmer auf einer inländischen Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer.
Die Haftung kann nur bei Vorliegen folgender Voraussetzungen greifen:
- bei grenzüberschreitend entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern;
- beschränkt auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt;
Zur Geltendmachung der Haftung ist vom betroffenen Arbeitnehmer außerdem ein Vorverfahren bei der BUAK einzuhalten.
Welche konkreten Kontrollpflichten sich für den Auftraggeber daraus ergeben, geht aus dem Gesetz nicht ausdrücklich hervor. Zur Sicherheit versuchen Auftraggeber, pauschal alle nur denkbaren Kontrollpflichten der ÖBA vorzusehen.
2. Derzeitiges Leistungsbild der ÖBA
Eine Verpflichtung zu umfangreichen arbeits- und sozialrechtlichen Kontrolltätigkeiten der ÖBA findet derzeit keine Deckung in den gängigen standardisierten Leistungsmodellen (LM.VM, der früheren HOA oder der HIA). Auch gemäß der Rechtsprechung des OGH gehören zu den Aufgaben der ÖBA lediglich jene Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können. Dass darüber hinaus auch die Vorschriften gemäß dem LSD-BG von der ÖBA mit zu berücksichtigen oder gar zu überwachen wären, ergibt sich weder aus den bestehenden Leistungsbildern noch der bisherigen Rechtsprechung.
Allerdings können abweichend von den standardisierten Leistungsverzeichnissen zusätzliche/andere Leistungen jederzeit frei vertraglich vereinbart werden. Um die Pflichten der ÖBA (in einem konkreten Auftragsverhältnis) festzustellen, ist daher der jeweilige Vertrag relevant. Auch arbeits- und sozialrechtliche Kontrollpflichten können daher vertraglich vereinbart werden, es besteht aber keine wie auch immer geartete Veranlassung oder Verpflichtung, dies zu tun. In einem bereits laufenden Auftragsverhältnis sind diese Kontrollpflichten jedenfalls nicht automatisch mitumfasst, sondern nur mit einer ausdrücklichen Vereinbarung (gegen zusätzliches Entgelt) möglich.
3. Haftung der ÖBA
Wenn Kontrollaufgaben zwischen Auftraggeber und ÖBA vereinbart worden sind, haftet die ÖBA dem Auftraggeber bei Verletzung dieser vertraglichen Verpflichtungen. Sollte sich die ÖBA daher zu diversen arbeits- und sozialrechtlichen Kontrollleistungen vertraglich verpflichtet haben, muss sie diese auch ordnungsgemäß erfüllen (können). Und hier hilft es der ÖBA dann nicht zu argumentieren, dass sie die Lohnunterlagen nicht beurteilen konnte oder keine entsprechende Fachkenntnis hat, das entbindet sie nicht von übernommenen vertraglichen Verpflichtungen.
Diese Leistungen sollten daher auch nur dann übernommen werden, wenn die ÖBA die entsprechende Kenntnis besitzt. Das Formular der BIG fordert beispielsweise zwar nur die "Überprüfung der Bereithaltung der gesetzlich geforderten Unterlagen", das heißt, nicht der Inhalt, sondern nur das Vorhandensein muss überprüft werden. Welche Unterlagen aber "gesetzlich gefordert" sind, kann man nur dann überprüfen, wenn man die gesetzlichen Grundlagen und Erfordernisse kennt.
So kann die ÖBA – wie im Muster von der BIG gefordert – nur dann fehlende Unterlagen urgieren oder den Auftraggeber von der Nichteinhaltung der Bestimmungen in Kenntnis setzen, wenn sie weiß, welche Dokumente erforderlich sind bzw. wie die gesetzlichen Bestimmungen z.B. im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitgesetz oder Ausländerbeschäftigungsgesetz lauten.
4. Vertragliche Gestaltung
Um jegliche Vertragsverletzungen der ÖBA gegenüber dem Auftraggeber auszuschließen, ist zu empfehlen, zunächst eine Übernahme arbeits- und sozialrechtlicher Kontrollpflichten möglichst zu vermeiden. Gegenüber dem Auftraggeber kann argumentiert werden, dass es keine gesetzliche Pflicht der ÖBA zur Übernahme dieser Pflichten gibt und diese nicht zum typischen Leistungsbild der ÖBA gehören.
Sollte dennoch Kontrollpflichten vereinbart werden, ist es ratsam, diese so weit wie möglich einzuschränken. Art und Häufigkeit der Kontrollen sollten transparent geregelt und auf Stichproben oder einige bestimmte Zeitpunkte beschränkt werden.
In jedem Fall muss aber der mit den übernommenen Kontrollpflichten verbundene Aufwand abgegolten werden.
16.02.2017 | bAIK