Gleitzeit

Gleitzeit (auch gleitende Arbeitszeit genannt) bedeutet, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines vereinbarten zeitlichen Rahmens (Gleitzeitrahmen) Beginn und Ende seiner täglichen Normalarbeitszeit (Zeit, in der die Arbeitnehmer definitionsgemäß keine Überstunden leisten) selbst bestimmen kann. Somit ist Wesensmerkmal der Gleitzeit eine gewisse Zeitsouveränität. Der Beitrag möchte einen Überblick über die wesentlichen Parameter zur Vereinbarung der Gleitzeit geben.

Mindestinhalt

Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die Gleitzeitvereinbarung schriftlich erfolgen muss (Einzelvereinbarung bzw. in Betrieben mit Betriebsrat Betriebsvereinbarung). Diese muss jedenfalls die Dauer der Gleitzeitperiode, den Gleitzeitrahmen, das Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten an Zeitguthaben und -schuld sowie die Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit beinhalten.

Im Detail bedeutet dies:

  • Die Dauer der Gleitzeitperiode ist jener Zeitraum, für den ein Ausgleich von Zeitguthaben oder Zeitschuld möglich ist.
  • Als Gleitzeitrahmen bezeichnet man die Zeitspanne zwischen frühestmöglichen Arbeitsbeginn und spätest möglichen Arbeitsende.

 

Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkei­ten an Zeitguthaben und -schuld

Hier gilt es zu beachten, dass innerhalb der Gleitzeitpe­riode die wöchentliche Normalarbeitszeit (40 Stunden) nur insoweit überschritten werden, als Zeitguthaben in die nächste Gleitzeitperiode mitgenommen werden dürfen.

Das bedeutet, dass ohne Übertragungsmöglichkeit (oder bei Überschreitung des Höchstausmaßes der Übertragung) Zeitguthaben am Ende der Gleitzeitperio­de als zuschlagspflichtige Überstunden abzugelten sind.

Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit

Dieser auch als Soll-Zeit bezeichnete Zeitraum definiert den Umfang und die Lage der Arbeitszeit ohne Möglich­keit des Gleitens (Hinweis: Die Normalarbeitszeit be­trägt laut Kollektivvertrag für Angestellte bei Ziviltech­nikern 40 Stunden für den Zeitraum von grundsätzlich Montag bis Freitag).

Wichtig ist, dass auch (unbezahlte) Arbeitspausen (z.B. Mittagspause) bei der fiktiven Normalarbeitszeit zu be­rücksichtigen sind. Die fiktive Normalarbeitszeit ist im­mer dann von Relevanz, wenn der Arbeitnehmer aus­fällt. Eine Dienstverhinderung kommt z.B. zum Tragen, wenn ein Arztbesuch des Arbeitnehmers außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich ist und in die fiktive Normal­arbeitszeit fällt; das bedeutet, dass in diesem Fall der Arztbesuch als Arbeitszeit gilt.

Konsequenzen bei mangelhaftem Mindestinhalt

Ist dieser Mindestinhalt unvollständig, liegt rechtlich keine Gleitzeit vor. Resultat daraus ist, dass der Ar­beitnehmer seine Arbeitszeiteinteilung zwar selbstbe­stimmt vornehmen kann, doch ohne die gesetzlichen Privilegierungen der Gleitzeit. Das bedeutet, dass die Ausweitung der Normalarbeitszeit nicht greift und Überstunden- sowie Mehrarbeitszuschläge anfallen.

Häufige sonstige Regelungsinhalte

Kernzeit

Die Kernzeit (auch Blockzeit genannt) zählt zwar zu den üblichen Bestandteilen einer Gleitzeitvereinbarung, ist aber kein Mindestinhalt. Mit ihr wird jener Zeitraum definiert, zu dem der Arbeitnehmer jedenfalls arbeiten muss.

Bei Festlegung der Kernzeit sollte man sich die Frage stellen, ob auch ganztätige Zeitausgleiche für den Ar­beitnehmer möglich sein sollen (diese Überlegung ist auch im Zusammenhang mit der maximalen täglichen Normalarbeitszeit von Belang – siehe Ausweitung der maximalen täglichen Normalarbeitszeit). Sollte dies der Fall sein, so ist zu definieren, unter welchen Voraus­setzungen die Arbeitszeit während der Kernzeit nicht greift.

Funktionszeit

Die Funktionszeit (auch Besetzungszeit genannt) um­schreibt die Pflicht einzelner Arbeitnehmer, zu be­stimmten Zeiten zu arbeiten. Sie ist somit nicht an alle Arbeitnehmer gleichzeitig gerichtet. Den hiervon be­troffenen Arbeitnehmern bleibt es selbst überlassen, wie sie die Arbeitspflicht untereinander aufteilen.

Es ist aber auch eine Kombination zwischen Kernzeit und Funktionszeit denkbar. Das bedeutet, dass es Zei­ten gibt, an denen alle Arbeitnehmer anwesend sein müssen, gefolgt von Zeitspannen, in denen nur eine ge­wisse Anzahl anwesend sein muss.

Ampelkonto

Bei diesem Modell kann der Arbeitnehmer Zeitgutha­ben nur bis zu einer definierten Grenze erwerben. Nach Erreichung dieser Plusstundengrenze muss der Arbeit­nehmer das Konto zumindest teilweise leeren.

Verboten sind hingegen Regelungen, bei denen Zeit­guthaben ab Erreichen eines bestimmten Kontostands verfällt.

Die Regelung des Ampelkontos kann auch für Zeitschul­den vereinbart werden.

Tunlichst-Regelung

Mit dieser Regelung wird dem Arbeitnehmer aufgetra­gen, dass sein Zeitkonto am Ende der Gleitzeitperiode tunlichst ausgeglichen ist (durchschnittliche Erreichung der Normalarbeitszeit).

Eingriffsklausel

Manche Vereinbarungen treffen Vorsorge für bestimm­te Konstellationen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Leistungserbringung zu bestimmten Zeiten außerhalb der Kernzeit verpflichtet.

Ruhepausenregelung

Beträgt die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, so ist die Arbeitszeit gemäß des Arbeits­zeitgesetzes durch eine Ruhepause von mindestens ei­ner halben Stunde zu unterbrechen. Sicherheitshalber sollten daher die Pausenzeiten dokumentiert werden.

Ausweitung der maximalen täglichen Normalar­beitszeit

Ist Gleitzeit vereinbart, so kann die maximale tägliche Normalarbeitszeit von 10 Stunden auf 12 Stunden aus­geweitet werden, wenn vorgesehen ist, dass Zeitgut­haben ganztätig verbraucht werden können und ein Verbrauch im Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. – Hierauf wird nun auch bei der Mustervereinbarung über Gleitende Ar­beitszeit des Kollektivvertrags für Angestellte bei Zi­viltechnikern, Stand 1.1.2022 (Anhang A, Seite 23) via Erläuterung ausdrücklich hingewiesen.

Wann liegen Überstunden vor?

Grundsätzlich entstehen Überstunden, wenn die Grenze der zulässigen tägliche bzw. wöchentlichen Normalarbeitszeit überschritten wird. Daran ändert das selbstbestimmte Einteilen der Normalarbeitszeit nichts.

Weitere Voraussetzung ist, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet werden müssen, wobei die Rechtsprechung bereits von der „Anordnung“ ausgeht, wenn der Arbeitgeber die Überstunden duldet und entgegennimmt. Aus diesem Zweck heraus und unter dem Aspekt der Aufzeichnungen (welche Stunden sind als Gleitzeitguthaben 1:1 abzurechnen, welche Stunden sind Überstunden, die ausbezahlt werden oder mit Überstundenzuschlag vom Arbeitnehmer in Form von Zeitausgleich verbraucht werden) empfiehlt sich ein klarer Überstundengenehmigungsprozess.

Allein die Überschreitung der fiktiven Normalarbeitszeit führt somit prinzipiell (mangels abweichender Regelungen) noch nicht zu einer Überstunde.

Überstunden liegen hingegen in folgenden Fällen vor:

  • wenn die (tägliche/wöchentliche) Höchstgrenze der Normalarbeitszeit überschritten wird;
  • wenn Arbeitsleistungen außerhalb des Gleitzeitrahmens erbracht werden:
    Hier ist zu bedenken, dass sich der Arbeitnehmer seine Arbeit nur innerhalb des Gleitzeitrahmens selbst einteilen kann. Arbeiten, die außerhalb dieses Rahmens erledigt werden, sind also vom Arbeitgeber anzuordnen.
  • bei vom Arbeitgeber angeordneten Arbeitsleistungen außerhalb der Normalarbeitszeit;
  • wenn am Ende der Gleitzeitperiode der Durchschnitt der wöchentlichen Normalarbeitszeit überschritten wird und auch das Ausmaß der Übertragungsmöglichkeiten in die nächste Gleitzeitperiode ausgeschöpft ist.

Schutz bestimmter Arbeitnehmergruppen

Nicht alle Arbeitnehmer dürfen Überstunden leisten. So dürfen insbesondere Jugendliche und stillende Mütter keine Überstunden erbringen. Zusätzlich beschränkt der Gesetzgeber für diese Gruppen die Zeit, die pro Tag gearbeitet werden darf. Während werdende und stillende Mütter ein tägliches Arbeitszeitlimit von maximal neun Arbeitsstunden leisten dürfen, dürfen Jugendliche lediglich acht Stunden pro Arbeitstag leisten.

Zulässiges Ausmaß von Überstunden

Da das Arbeitszeitgesetz davon spricht, dass der Arbeitnehmer „die wöchentliche Normalarbeitszeit […] im Durchschnitt nur insoweit überschreiten darf, als Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben vorgesehen sind“ (§ 4b AZG), hat sich eine Literaturmeinung entwickelt, nach der die Gleitzeit in einzelnen Wochen der Gleitzeitperiode 50 (bei höchstzulässiger Tagesarbeitszeit von 10 Stunden) bzw. 60 (bei höchstzulässiger Tagesarbeitszeit von 12 Stunden betragen darf (unter welchen Voraussetzungen diese Ausdehnung möglich ist, siehe oben).

Wann ist trotz Gleitzeitvereinbarung ein Überstundenzuschlag zu verrechnen?

Können Überstunden nicht mit in die nächste Gleitzeitperiode mitgenommen werden, weil in der Gleitzeitvereinbarung keine Übertragungsmöglichkeit vorgesehen oder das Höchstausmaß der übertragbaren Überstunden überschritten ist, so sind diese auszubezahlen. Dabei fällt jedenfalls ein Überstundenzuschlag von 50 % an.

Überstundenvergütung bei Überschreitung der Tagesarbeitszeit von zehn Stunden bzw. Wochenarbeitszeit von 50 Stunden

Bei Überschreitung dieser Grenzen hat der Arbeitnehmer nicht nur ein Recht die Leistung ohne Begründung abzulehnen, sondern auch ein Wahlrecht, ob der die Überstunden in Geld oder Zeit vergütet bekommen möchte. Dieses Wahlrecht ist möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben.

Abgeltung von Überstunden durch Zeitausgleich

Falls nicht bereits im Vorhinein vereinbart wurde, wann Zeitausgleich in Anspruch genommen wird, wird beim Abbau von Zeitguthaben zwischen Arbeitsverträgen mit Durchrechnungszeitraum (vgl. § 6 des Kollektivvertrags für Angestellte bei Ziviltechnikern) und jenen ohne unterschieden.

Bei Arbeitsverträgen mit Durchrechnungszeitraum bestimmt der Kollektivvertrag für Angestellte bei Ziviltechnikern, dass der Zeitausgleich binnen einer Nachfrist von einem Monat zu verbrauchen ist. Allerdings kann diese Frist via vertraglicher Vereinbarung auf drei Monate erhöht werden. Bei Krankheit oder Verhinderungsgründen auf Seiten des Arbeitnehmers verlängert sich die Frist um die Zeit der Krankheit bzw. Verhinderung. Erfolgt binnen der Nachfrist kein Ausgleich, so sind die Zeitguthaben als Überstunden mit 25 % abzurechnen.

Besteht kein Durchrechnungszeitraum, so ist auf den jeweiligen Kalendermonat abzustellen. Das heißt, dass alle in einem Kalendermonat geleisteten und noch nicht ausgeglichenen Überstunden binnen sechs Monaten nach Ende des Kalendermonats in Absprache mit dem Arbeitgeber als Zeitausgleich zu gewähren sind. Geschieht das nicht, kann der Arbeitnehmer unter Einhaltung einer Vorankündigungsfrist von vier Wochen den Zeitpunkt einseitig bestimmen, insoweit keine zwingenden betrieblichen Erfordernisse gegen diesen Zeitpunkt sprechen oder der Arbeitnehmer eine Abgeltung in Geld verlangt.

Damit leichter kontrolliert werden kann, ob ein Verstoß gegen das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vorliegt, sollte nicht von den gesetzlichen Definitionen der Begriffe abgewichen und eine Vermischung von Überstunden-Zeitguthaben mit Gleitzeitguthaben vermieden werden.

Kombination mit anderen Zeitmodellen

Wie aus den vorherigen Ausführungen ersichtlich, ist es möglich, ein Gleitzeit- mit einem Durchrechnungsmodell zu kombinieren.

Es ist ebenso möglich, die Gleitzeit mit einer Wochendurchrechnung zu koppeln. Sinnvoll erscheint dies beispielsweise, wenn es im Unternehmen einen „kurzen Freitag“ gibt, was zur Folge hat, dass die Normalarbeitszeit Montag bis Donnerstag länger sein darf (bis zu neun Stunden sind erlaubt) als am Freitag.

Desgleichen ist es möglich, Feiertage einzuarbeiten (Zusatzvereinbarung nötig). Dabei wird die Normalarbeitszeitstunden zwischen Fenstertagen und Einarbeitungstagen so umverteilt, dass den Arbeitnehmern eine längere zusammenhängende Freizeit ermöglicht wird. Es werden also von vornherein einzelne Tage freigegeben, die durch eine erhöhte Arbeitszeit an anderen Tagen eingearbeitet werden. Wichtig ist hierbei nur, dass die Einarbeitungs- und Fenstertage im selben Einarbeitungszeitraum (maximal 13 Wochen) liegen.

Nicht per se ausgeschlossen ist auch eine Kombination mit einem Schichtmodell. Zu beachten gilt es, dass hier die fiktive Arbeitszeit den Schichtplan abbilden muss.

Einige Abwicklungsfragen

  • Der Arbeitnehmer ist krank. – Hier ist die fiktive Normalarbeitszeit zu buchen. Dem Arbeitnehmer ersteht also durch Krankheit weder ein Zeitplus, noch ein Zeitminus.
  • Der Arbeitnehmer wird während des Zeitausgleichs krank. – Auch in diesem Fall wird der Zeitausgleich verbraucht.
  • Der Arbeitnehmer hat einen Arzttermin. – Grundsätzlich sind Arztbesuche außerhalb der fiktiven Normalarbeitszeit zu absolvieren. Ist dies im Einzelfall nicht zumutbar, so hat der OGH ausgesprochen, dass diese innerhalb der fiktiven Normalarbeitszeit so zu verbuchen sind, dass der Arbeitnehmer dadurch keinen Nachteil erleidet.
  • Wie lange können Zeitguthaben mitgenommen werden? – Mangels anderer Regelung in der Gleitzeitvereinbarung (Übertragungsmöglichkeit) nur bis zum Ende der Gleitzeitperiode.
  • Der Zeitsaldo ist extrem hoch. – Hier sollte die Gleitzeitregelung überarbeitet werden, da das undifferenzierte Verfallen von Zeitguthaben am Ende der Gleitzeitperiode rechtlich nicht unproblematisch ist. Schließlich hat der Arbeitgeber das Zeitguthaben veranlasst oder wenigstens entgegengenommen, was laut Judikatur zu einer grundsätzlichen Vergütung der Arbeitszeit führt.

Stand: Mai 2022