Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und seine Auswirkungen

Mit 1.1.2017 ist das neue Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) in Kraft getreten, das u.a. eine Haftung von Auftraggebern für Unterentlohnung auf ihrer Baustelle vorsieht. Einzelne Auftraggeber versuchen daher bereits, diese Haftung dadurch abzuwehren, indem an die örtliche Bauaufsicht (ÖBA) umfangreiche Kontrollpflichten bezüglich Lohnunterlagen und arbeitsrechtlicher Aufzeichnungen delegiert werden. Bei der Unterzeichnung diesbezüglicher Bestätigungsschreiben oder Vereinbarungen ist daher dringend zur Vorsicht zu raten.

 

I. ALLGEMEINES ZUM LSD-BG

Anwendungsbereich
Das LSD-BG hat zum Ziel, Lohn- und Sozialdumping durch ausländische Dienstleistungserbringer wirksam zu bekämpfen sowie eine Erhöhung des Schutzes entsandter Arbeitnehmer und des österreichischen Arbeitsmarktes.
Damit das LSD-BG anwendbar ist, muss es sich um ein Arbeitsverhältnis handeln, bei dem Arbeitnehmer nach Österreich entsandt werden oder bei dem Arbeitskräfte grenzüberschreitend überlassen werden. Grundsätzlich gilt das LSD-BG für alle Arbeitsverhältnisse (Europäische Union, Europäischer Wirtschaftsraum, Schweiz, sonsti-ge Staaten); Einschränkungen der Anwendbarkeit dieses Gesetzes sind ausdrücklich genannt (z.B. § 1 Abs. 4).

Arbeitsrechtliche Ansprüche und Maßnahmen zu Ihrem Schutz
Um Lohn- und Sozialdumping zu vermeiden, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Mindestentgelt (§ 3) sowie ein Urlaubsanspruch (§ 4), Anspruch auf Einhaltung der Arbeitszeit und der Arbeitsruhe (§ 5), Entgeltfortzahlung (§ 6 Abs. 1 Z 1) und ein Anspruch auf Beachtung der Kündigungsregelungen (§ 6 Abs. 1 Z 2 und 3). Ebenso haben die Kollektivvertragsparteien die abgeschlossenen Kollektivverträge in elektronischer Form zugänglich zu machen. Auf Baustellen hat die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse die Informations- und Auskunftstätigkeit bezüglich der Kollektivverträge wahrzunehmen.

 

II. HAFTUNG NACH DEM LSD-BG

Für Bauaufträge gibt es eine besondere Haftungsbestimmung (§ 9): Demnach haftet der Auftraggeber von Bauaufträgen für die Ansprüche der Arbeitnehmer seiner Auftragnehmer. Somit ist die Haftung auf entsandte oder grenzüberschreitend überlassene Arbeitnehmer, die Bauarbeiten erbringen, beschränkt. Von der Haftung umfasst sind Entgeltansprüche (Mindestentgelt [!] nach Kollektivvertrag) und Zuschläge der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. Von der Haftung nach dem LSD-BG nicht umfasst sind Sozialbeitragsleistungen. Doch kann es durch Regelungen im AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz oder Einkommensteuergesetz unter Umständen zu einer Haftung für Sozialbeitragsleistungen kommen.
Nicht auf den Baubereich beschränkt ist die Haftung des Generalunternehmers (§ 10): Generalunternehmer ist in diesem Zusammenhang jemand, der als Auftragnehmer eines öffentlichen Auftraggebers oder Sektorenauftraggebers im Rahmen seiner Unternehmertätigkeit die Erbringung zumindest eines Teiles einer auf Grund eines Auftrages geschuldeten Leistung an einen anderen Unternehmer (Subunternehmer), ausgenommen Arbeitgeber mit Sitz in einem Drittstaat, weitergibt.
Der Generalunternehmer haftet für Entgeltansprüche der von Subunternehmern z.B. auf einer inländischen Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer (Haftung als Bürge und Zahler). Auch hier ist die Haftung auf grenzüberschreitend entsandte oder überlassene Arbeitnehmer hinsichtlich deren kollektivvertragliches Mindestentgelt (!) beschränkt.
Von wenig praktischer Bedeutung dürfte die Haftung des Auftraggebers als Unternehmer im Falle der Arbeitskräfteüberlassung aus Drittstaaten nach § 8 LSD-BG sein: Demzufolge haftet der Auftraggeber als Unternehmer im Rahmen des Auftrags als Bürge und Zahler für die Ansprüche auf Mindestentgelte von entsandten Arbeitnehmern eines Arbeitgebers mit Sitz in einem Drittstaat. Haftungsregelungen anderer Gesetzte bleiben, falls im LSD-BG nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist, neben der Haftung des LSD-BG bestehen. Grundsätzlich sind Drittstaaten alle Staaten, mit Ausnahme der schweizerischen Eidgenossenschaft, den Mit-gliedsstaaten der Europäischen Union und jenen des Europäischen Wirtschaftsraums.
Sofern Ziviltechniker als Bauherren (z.B. Bauträger) tätig werden, oder Leistungen an entsprechende Subunternehmer weitergeben, kommt eine unmittelbare Anwendbarkeit der Haftung nach dem LSD-BG in Betracht.

 

III. LEISTUNGSBILD DER ÖBA UND DEREN DERZEITIGE HAFTUNG

Eine Verpflichtung zu umfangreichen arbeits- und sozialrechtlichen Kontrolltätigkeiten der ÖBA findet derzeit keine Deckung in den gängigen standardisierten Leistungsmodellen (LM.VM, der früheren HOA oder der HIA). Auch gemäß der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gehören zu den Aufgaben der ÖBA lediglich jene Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können. Dass darüber hinaus auch die Vorschriften gemäß dem LSD-BG von der ÖBA mit zu berücksichtigen oder gar zu überwachen wären, ergibt sich weder aus den bestehenden Leistungsbildern noch der bisherigen Rechtsprechung.
Allerdings können abweichend von den standardisierten Leistungsverzeichnissen zusätzliche/andere Leistungen jederzeit frei vertraglich vereinbart werden. Um die Pflichten der ÖBA (in einem konkreten Auftragsverhältnis) festzustellen, ist daher der jeweilige Vertrag relevant. Auch arbeits- und sozialrechtliche Kontrollpflichten können daher vertraglich vereinbart werden, es besteht aber keine wie auch immer geartete Veranlassung oder Verpflichtung, dies zu tun. In einem bereits laufenden Auftragsverhältnis sind diese Kontrollpflichten jedenfalls nicht automatisch mitumfasst, sondern nur mit einer ausdrücklichen Vereinbarung (gegen zusätzliches Entgelt) möglich.

 

IV. FOLGEN DER VERTRAGLICHEN ÜBERBINDUNG DER PFLICHTEN AUS DEM LSD-BG

Welche konkreten Kontrollpflichten sich für den Auftraggeber aus dem LSD-BG ergeben, geht aus dem Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich hervor. Zur Sicherheit versuchen Auftraggeber, pauschal alle nur denkbaren Kontrollpflichten der ÖBA zu übertragen. Doch Vorsicht: Werden pauschal alle Pflichten des Auftraggebers nach dem LSD-BG auf den Ziviltechniker (als ÖBA) vertraglich übertragen, so hat dies für letzteren weitreichende Folgen. Insbesondere sollte sich jeder Ziviltechniker die folgenden Punkte vergegenwärtigen:

Einhaltung der arbeitsrechtlichen Ansprüche und Maßnahmen zum Arbeitnehmerschutz

Übernimmt der Ziviltechniker alle Pflichten aus dem LSD-BG, so ist er auch dazu verpflichtet zu prüfen, ob die arbeitsrechtlichen Bestimmungen (Gesetze, Verordnungen, Kollektivvertrag und dergleichen) eingehalten werden. So hat er z.B. zu prüfen, ob das Entgelt (insb. keine Unterentlohnung, vgl. § 29), der Urlaub und die Einhaltung der Höchst- und Mindestruhezeiten mit den rechtlichen Regelungen übereinstimmen.
Wenn Kontrollaufgaben zwischen Auftraggeber und ÖBA vereinbart worden sind, haftet die ÖBA dem Auftraggeber bei Verletzung dieser vertraglichen Verpflichtungen. Sollte sich die ÖBA daher zu diversen arbeits- und sozialrechtlichen Kontrollleistungen vertraglich verpflichtet haben, muss sie diese auch ordnungsgemäß erfüllen (können). Und hier hilft es der ÖBA dann nicht zu argumentieren, dass sie die Lohnunterlagen nicht beurteilen konnte oder keine entsprechende Fachkenntnis hat, das entbindet sie nicht von übernommenen vertraglichen Verpflichtungen.
Diese Leistungen sollten daher auch nur dann übernommen werden, wenn die ÖBA die entsprechende Kenntnis besitzt.

Zutritt der Behörden

Es ist der Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie den Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer und das damit verbundene Befahren von Wegen zu ermöglichen. Den Behörden sind Auskünfte über alle für deren Erhebung maßgeblichen Tatsachen zu erteilen. Weiters ist alles zu unterlassen, was die Kontrolle sonst erschweren oder behindern könnte. Bei Verweigerungen, Erschwerungen oder Behinderungen ist mit Geldstrafen zu rechnen.

Unterlagen

Für die Behörden sind die Meldeunterlagen, Sozialversicherungsunterlagen und behördliche Genehmigung bereitzuhalten (§ 21). Gleiches gilt für die Lohnunterlagen (§ 22 bzw. § 29).
Wie bereits erwähnt versuchen Auftraggeber diese Pflichten auf die ÖBA vertraglich zu überbinden. Das Formular der BIG fordert beispielsweise zwar nur die "Überprüfung der Bereithaltung der gesetzlich geforderten Unterlagen", das heißt, nicht der Inhalt, sondern nur das Vorhandensein muss überprüft werden. Welche Unterlagen aber "gesetzlich gefordert" sind, kann man nur dann überprüfen, wenn man die gesetzlichen Grundlagen und Erfordernisse kennt.
So kann die ÖBA – wie im Muster von der BIG gefordert – nur dann fehlende Unterlagen urgieren oder den Auftraggeber von der Nichteinhaltung der Bestimmungen in Kenntnis setzen, wenn sie weiß, welche Dokumente erforderlich sind bzw. wie die gesetzlichen Bestimmungen z.B. im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitgesetz oder Ausländerbeschäftigungsgesetz lauten.
Grundsätzlich sind diese Unterlagen entweder am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der behördlichen Erhebung in elektronsicher Form zugänglich zu machen. Unter dem Begriff „in elektronischer Form zugänglich zu machen“ ist nicht nur das bloße Vorweisen eines Bildes oder einer Datei auf einem digitalen Medium zu verstehen. Dies beinhaltet auch, dass auf Verlangen der Kontrollorgane eine Übermittlung der digitalen Dokumente in einer für die Kontrollorgane nutzbaren Form erfolgt bzw. erfolgen kann.
Wer die Einsichtnahme in die Meldeunterlagen, Sozialversicherungsunterlagen und behördliche Genehmigung sowie Lohnunterlagen verweigert, muss mit einer Geldstrafe rechnen.


Meldepflichten des Arbeitgebers/Überlassers/Beschäftigers und Untersagung der Dienstleistung

Es existiert eine Meldepflicht des Arbeitsgebers bei Entsendung oder Überlassung aus einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Diese hat für jede Entsendung oder Überlassung gesondert zu erfolgen. Nachträgliche Änderungen sind unverzüglich zu melden.
Verstöße des Arbeitgebers/Überlassers/Beschäftigers im Zusammenhang mit den Meldepflichten bei Entsendung oder Überlassung sind mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Wenn ein Ziviltechniker neben der ÖBA auch mit der Bereithaltung und Überprüfung der arbeits-, lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Unterlagen betraut wird, kann nicht ausschlossen werden, dass es bei Verstößen gegen die Regelungen der Meldepflicht und diesbezüglichen Geldstrafen, zu Regressforderungen gegen den Ziviltechniker kommt.
Ebenso kann ein Schadenersatzanspruch hinsichtlich der Untersagung der Dienstleistung (dem Arbeitgeber wird die Ausübung seiner Dienstleistung für gewisse Zeit behördlich untersagt, vgl. § 31) im Raum stehen.

Risiko des Schadenersatzes

Bei Verschulden des Ziviltechnikers kann es ihm gegenüber zu Schadenersatzansprüchen kommen, wenn er sich, z.B. zur Überwachung des Arbeitseinsatzes sowie der durchgängigen Überprüfung aller Arbeitskräfte und der ausführenden Unternehmungen sowie der Kontrolle der Unterlagen vertraglich verpflichtet hat und die Behörden Rechtswidrigkeiten aufdecken bzw. Geldstrafen oder andere Sanktionen (vgl. zum Beispiel Untersagung der Dienstleistung) verhängen.

 

V. EMPFOHLENE VERHALTENSWEISE BEI DER VERTRAGSGESTALTUNG

Um jegliche Vertragsverletzungen der ÖBA gegenüber dem Auftraggeber auszuschließen, ist zu empfehlen, zunächst eine Übernahme arbeits- und sozialrechtlicher Kontrollpflichten möglichst zu vermeiden. Gegenüber dem Auftraggeber kann argumentiert werden, dass es keine gesetzliche Pflicht der ÖBA zur Übernahme dieser Pflichten gibt und diese nicht zum typischen Leistungsbild der ÖBA gehören.
Sollte dennoch Kontrollpflichten vereinbart werden, ist es ratsam, diese so weit wie möglich einzuschränken. Art und Häufigkeit der Kontrollen sollten transparent geregelt und auf Stichproben oder einige bestimmte Zeitpunkte beschränkt werden.
In jedem Fall muss aber der mit den übernommenen Kontrollpflichten verbundene Aufwand abgegolten werden.

Stand 24.4.2017

 

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