Haftung der Örtlichen Bauaufsicht

Durch die unterschiedlichen Anforderungen und den Umfang der einzelnen Projekte ist es schwer, die örtliche Bauaufsicht (ÖBA) allgemeingültig präzise zu definieren. In den Leistungsmodellen und Vergütungsmodellen für Planerleistungen 2014 (LM.VM 2014) wird die ÖBA im Leistungsbild meist in der Leistungsphase 8 (LPH 8) des jeweiligen Leistungsmodells definiert. Beispielsweise zählen regelmäßig die Vertretung der Interessen des Auftraggebers, die Überwachung der Werkserstellung sowie des Zeitplans, die Abnahme von Teilleistungen und Dokumentationen zum Aufgabenkatalog. – Es sind somit grundsätzlich all jene Kontrolltätigkeiten erfasst, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können.

Aufgabe der ÖBA ist es, dafür zu sorgen, dass das Bauwerk plangerecht und mängelfrei hergestellt wird. Ihr Zweck ist also, den Bauherrn vor Fehlern zu schützen, die in der Verantwortlichkeit der einzelnen bauausführenden Unternehmer fallen und nicht diese von deren Verantwortung zu entlasten oder deren Verantwortung zu mindern. Daher haftet die ÖBA nicht unmittelbar für die mangelfreie Ausführung des Werks oder die Einhaltung technischer Vorschriften im Zuge der Bauausführung. Vielmehr haftet sie dem Bauherrn zusätzlich zum Werkunternehmer, wenn es im Rahmen der ÖBA zu Überwachungsfehlern kommt.

In welcher Intensität muss überwacht werden?

Die ÖBA hat die einzelnen Bauleistungen rechtzeitig zu untersuchen und erkannte Mängel sofort zu beanstanden. Prinzipiell darf die ÖBA darauf vertrauen, dass die Professionierten die Arbeiten fachgerecht und plangemäß ausführen. Handlungsbedarf besteht dort, wo Mängel erkennbar werden. Denn Umstände, die die Zuverlässigkeit des Handwerkers in Zweifel ziehen oder erkannte Mängel haben zur Folge, dass auch einfache Arbeiten zumindest stichprobenartig überprüft werden müssen. Maßstab für das Finden von Fehlern ist das gewöhnliche Wissen und die Fachkenntnis des Fachmanns (bezogen auf die jeweilige Ziviltechnikerbefugnis).

Der ÖBA kann nicht zugemutet werden, in allen Arbeitsbereichen gleichzeitig anwesend zu sein bzw. dauernd vor Ort zu sein. Vielmehr sind im Allgemeinen stichprobenartige Kontrollen ausreichend. Wie oft die ÖBA auf der Baustelle konkret anwesend zu sein hat, hängt von der Schwierigkeit und Bedeutung der einzelnen Bauabschnitte ab. So ist die Anwesenheit der ÖBA bei einfachen handwerklichen Tätigkeiten, im Rahmen der alltäglichen Handwerklichkeit, deren Beherrschung und Beachtung durch den Professionalsten vorausgesetzt werden darf, grundsätzlich nicht nötig. Ebenso kann von der ÖBA nicht erwartet werden, dass von jeder einzelnen Materiallieferung Proben gezogen und im Labor untersucht werden. Sollte dies aufgrund der Sicherheitsanforderungen notwendig sein, bedarf es einer gesonderten Vereinbarung.

Allerdings ist der Ziviltechniker zumindest dazu verpflichtet, die wichtigsten (Bau-)Abschnitte, von deren Gelingen das gesamte Projekt abhängt, persönlich oder durch einen seiner Mitarbeiter (Erfüllungsgehilfen) zu überwachen bzw. sich nach Ausführung unmittelbar von deren ordnungsgemäßen Verrichtung zu überzeugen.

Besonders intensive Überwachungen sind bei lücken- oder mangelhafter Ausführungsplanung bzw. bei während der Ausführung auftretenden Planänderungen von Nöten.

Wann liegt ein Überwachungsfehler vor?

In der Regel kann die ÖBA für den Verbesserungsaufwand und allfällige Mängelfolgeschäden nur bei schuldhaftem rechtswidrigen Verhalten haftbar gemacht werden. Die ÖBA haftet daher, wenn sie rechtzeitig erkennen hätte können, dass Mängel in der Ausführung vorliegen oder wenn sie auf Beseitigung des Mangels zumindest vor Fertigstellung der einzelnen Gewerbe hätte drängen können.

Das Mitverschulden des Bauherrn ist unbeachtlich, da der Bauherr die ÖBA entlohnt, um entsprechende Überwachungen durchzuführen.

Grenzen der Überwachungspflicht

Einerseits ist die Grenze fachlich zu ziehen. Von der ÖBA wird ein breites Verständnis für das Gesamtwerk gefordert. So muss sie Zusammenhänge verstehen und über fundierte technische Kenntnisse verfügen, die auf einer Baustelle regelmäßig notwendig sind. Es kann von ihr aber nicht verlangt werden, dass sie stets dieselbe Expertise aufweist, wie das jeweils ausführende Fachunternehmen.

Andererseits ist die Grenze, wie bereits erwähnt, bei der Tiefe der Prüfung zu ziehen. So ist die ÖBA laut Judikatur auf „grob sinnliche Wahrnehmungen“ beschränkt. Dazu kommt noch die örtliche Grenze, denn gerade auf großen bzw. weitläufigen Baustellen kann und muss sich die ÖBA nicht überall gleichzeitig aufhalten. Letztlich gibt es noch eine zeitliche Grenze, denn nach ständiger Rechtsprechung ist die ÖBA nicht verpflichtet, ständig auf der Baustelle anwesend zu sein. Vielmehr ist auf die Erforderlichkeit ihrer Anwesenheit abzustellen. So hat die ÖBA, wie bereits erwähnt, jedenfalls bei „wichtigen“ Arbeitsschritten anwesend zu sein, die weitreichende Konsequenzen für das Gesamtwerk haben.

Stand: 15.11.2019